Informationen
zu kulturell‑religiösen Motivationen


ARGUS-Kinderschutz lädt alle kulturell-religiösen Gemein­schaften in Deutsch­land mit Beschneidungs­tradition zum Dialog ein.


Icon Religion: Betende Hände

Es gibt mehrere Religionen mit einer Tradition der Kinder­beschneidung.

Wenn man an Religionen mit einer Tradition der Kinderbeschneidung denkt, dann fallen einem meistens als Erstes der Islam und das Judentum ein. Es gibt aber noch weitere Glaubensgemeinschaften, die ähnliche Traditionen haben. ARGUS fokussiert sich auf die beiden genannten Religionen wegen ihrer zahlenmäßigen und inhaltlichen Bedeutung, aber wir laden alle Gemeinschaften mit Beschneidungstradition in Deutschland zum Dialog ein. 


Icon für Eltern, die das beste für ihr Kind wollen.

Eltern tun alles aus Liebe zu ihrem Kind.

Alles, was Eltern tun, tun sie aus Liebe zu ihrem Kind. Im Rahmen einer Kindererziehung, die auch religiöse Werte einbezieht, sehen sich manche Eltern vor die Frage gestellt, ob Beschneidung in ihrer Religion eine unausweichliche Verpflichtung ist, oder ob sie eine Wahlmöglichkeit haben. In den Religionen mit einer Tradition der Kinderbeschneidung gibt es aber einigen Spielraum für Inter­pretation.


Kinderbeschneidung und Islam


Icon mit Schriftzug: Keine Erwähnung der Beschneidung im Koran

Im Koran gibt es kein Gebot der Kinder­beschneidung. 

Im Koran wird die Beschneidung mit keinem einzigen Wort erwähnt, geschweige denn an Kindern eingefordert. Im Gegenteil: im Koran steht, dass der Mensch von Gott in seiner besten Form erschaffen wurde (Sure At-Tin 95:4), so dass er nicht durch Eingriffe des Menschen verbessert werden kann. Bei keinem der Söhne des Propheten wird von einer Beschneidung berichtet. Auch von Konvertiten zum Islam wird keine Beschneidung verlangt. Im Islam ist es vielmehr erlaubt, auch fundamentale Rituale zu unterlassen, wenn man befürchtet, dadurch Schaden zu nehmen, was auch auf die Beschneidung übertragbar ist (nach Ibn Qudama).


Icon für Hadith und Fitra: Keine Gebot der Kinderbeschneidung.

Der Hadith al-Bukhari 5889 zur "Fitra" lässt viele Deutungen zu.

Manchmal wird als Begründung für die Kinderbeschneidung im Islam der Hadith al-Bukhari 5889 angeführt. Darin wird die Beschneidung als "charakteristisch für Fitra" bezeichnet. "Fitra" kann ungefähr mit "Natur des Menschen" oder "menschlicher Instinkt" übersetzt werden.

Dieser Hadith gibt aber nicht zwangsläufig ein Gebot wieder, sondern kann ebenso gut auch nur als Feststellung dessen verstanden werden, was in der "Natur des Menschen" liegt. Auch wird nicht vorgegeben, dass diese Handlung im Kindesalter zu geschehen hätte. Sollte man diesen Hadith aber doch als Gebot verstehen wollen, so würde damit gleichermaßen die Jungen- wie die Mädchenbeschneidung eingefordert. 


Kinderbeschneidung und Judentum


Icon mit Schrift für lebendige Diskussion im Judentum

Die Beschneidung von männlichen Säuglingen wird auch innerhalb des Judentums diskutiert.

Die Säuglingsbeschneidung ist im Judentum eines von 248 Geboten und 365 Verboten. Sie geht auf den Bund Gottes mit Abraham zurück, als dessen Zeichen er im Alter von 99 Jahren sich selbst sowie allen männlichen Personen in seinem Haus die Vorhaut beschneiden sollte. 

Das Judentum ist seit jeher durch eine lebendige Kultur der Diskussion und des Hinterfragens gekennzeichnet. Und so ist auch die Beschneidung von Neugeborenen ("Brit Mila") innerhalb des Judentums schon immer Gegenstand von kontroversen Debatten gewesen. Dafür gibt es viele historische und zeitgenössische Beispiele.

Auch wenn die Säuglingsbeschneidung ein Gebot im Judentum ist, so gibt es doch ebenso eine ganze Reihe weiterer Ge- und Verbote, denen heutzutage auch nicht mehr in der ursprünglichen Form gefolgt wird. Darüber hinaus ist laut der Jewish Encyclopedia auch ein "nicht beschnittener" jüdischer Junge per Geburt ein "vollwertiges" Mitglied der jüdischen Religionsgemeinschaft. 

Als Beispiel, dass es auch innerhalb des Judentums Alternativen in Bezug auf die Säuglingsbeschneidung gibt, sei auf die jüdische Organisation Bruchim hingewiesen. Diese Organisation wirbt für eine alternative Zeremonie namens "Brit Shalom". Bei dieser Zeremonie findet durch einen Rabbi eine religiöse Feier und die Namensgebung statt, ohne dass der Säugling dabei verletzt wird. 

Die Behauptung, dass es jüdisches Leben nur mit Säuglings­beschneidung geben kann, ist also keinesfalls die einzig legitime Perspektive auf das Thema. Spielraum für Diskussion, Interpretation und Dialog gibt es auch hier.


Religion und Gesellschaft


Icon für Humanismus: Vitruv-Mann

Religiöse Tradition und gesellschaftliche Grund­werte können in einen Ausgleich gebracht werden.

Alle Kultur- und Religionsgemeinschaften in Deutschland leben im Rahmen einer säkularen Gesellschaft mit humanistischen Grundwerten. Sie können daher zentrale Werte wie das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung nicht einseitig für indiskutabel erklären. 

Es sollte auch im Interesse der kulturell-religiösen Gemeinschaften liegen, Eltern eine freie und bewusste Entscheidung zu ermöglichen. Dazu gibt es bereits einige positive Ansätze. So können zum Beispiel Genitaleingriffe in ein Alter verlegt werden, in dem ein mündiges Kind selber zustimmen kann. Ebenso können alternative Zeremonien gefeiert werden, die das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung wahren.


Icon für den Ausgleich von Religion und Kinderschutz

Es ist unmoralisch, Kinder­schutz und Religions­ausübung gegen­einander ausspielen zu wollen.

Wer eine offene Diskussion zu Kinderschutz und Religionsausübung unterdrücken will, bedient sich dazu meistens der Anschuldigung von Religionsfeindlichkeit, Islamophobie und Antisemitismus.

Es kann aber keinesfalls als religionsfeindlich angesehen werden, wenn man für die Unversehrtheit von Kindern eintritt, und dies gleichermaßen im medizinischen wie im kulturell-religiösen Kontext tut. Darüber hinaus existiert die Kritik an der Kinderbeschneidung ja ohnehin schon innerhalb der Glaubensgemeinschaften selbst. Umgekehrt kann man es aber sehr wohl als religionsfeindlich ansehen, wenn den Religions­gemeinschaften pauschal unterstellt wird, dass sie nicht in der Lage seien, in einen Dialog über ihre Traditionen zu treten. 

Wer mit solchen Anschuldigungen versucht, Kinderschutz und Religionsausübung gegeneinander auszuspielen, sollte eher die Aufrichtigkeit seiner eigenen Motivation dafür in Frage stellen, statt den großen Religionen pauschal eine Unfähigkeit zur Diskussion und Kinderschützern/innen unlautere Motive zu unterstellen. 


Icon mit Sprechblasen: Kultur oder Religion?

Ist es Kultur oder ist es Religion?

Letztlich lassen sich kulturelle und religiöse Motive nicht voneinander trennen, weshalb bei ARGUS immer von "kulturell-religiösen Motivationen" die Rede ist. 

Manchmal werden religiöse Notwendigkeiten auch von Eltern als Grund angeführt, die selber aber kaum religiös sind. Diese Eltern stehen dann real meistens nur unter dem hohen Druck ihrer kulturellen Umgebung, welche von ihnen einen Eingriff am Kind erwartet.

Wir versuchen, Eltern den Rücken zu stärken, dass sie aus Liebe zu ihrem Kind abwarten können, bis ihr Kind selbst eine mündige Entscheidung über seinen Körper treffen kann. 


Lesen Sie mehr dazu bei den Zielen von ARGUS. Nehmen Sie gerne auch an unserem Vortrag teil und erfahren Sie dabei alles Wissenswerte zum Thema Beschneidung.