Eltern werden manchmal von der Ärzteschaft verunsichert, dass etwas mit der Vorhaut ihre Sohnes nicht in Ordnung sei. Es wird dann zum Beispiel behauptet, dass die Vorhaut schon zurückziehbar sein sollte, weil sonst eine Phimose (Vorhautverengung) vorläge, die operiert werden muss. Ebenso wird manchmal von der Ärzteschaft eine Indikation für eine Beschneidung bei einer Vorhautentzündungen (Balanitis) oder dem Aufblähen beim Wasserlassen (Ballonieren) behauptet. Im Folgenden finden Eltern Informationen dazu, die konform sind mit der aktuell gültigen Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) zum Thema "Phimose und Paraphimose".
Vor 20 Jahren war es in der Ärzteschaft noch eine übliche Ansicht, dass die Vorhaut eines Jungen bis zum Schuleintritt zurückziehbar sein muss. Daher wurde damals bei vielen Kinderuntersuchungen versucht, die Vorhaut eines Jungen zurückzuziehen, was oftmals schmerzhaft und traumatisierend war und zu dauerhaften Schäden führen konnte. Jungen, bei denen die volle Zurückziehbarkeit nicht gegeben war, wurden dann fälschlicherweise mit einer "Phimose" diagnostiziert und die Vorhaut operativ entfernt.
Viele heute erwachsene Männer sind als Kinder aus dem oben beschriebenen Vorgehen heraus "beschnitten" worden. Zum Glück sehen das heute die aktuell gültigen Leitlinien anders.
Das Eintreten der vollen Beweglichkeit der gesunden Vorhaut kann bis zum Ende der Pubertät dauern, ohne dass es eines Eingreifens durch die Medizin bedarf. Das sagt auch die aktuelle Leitlinie "Phimose und Paraphimose" der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Die fehlende Zurückziehbarkeit bei einem ansonsten gesunden Jungen führt heute laut Leitlinie zu keinem medizinischen Handlungsbedarf mehr.
Wie in der aktuell gültigen Leitlinie nachzulesen ist, stellt eine unkomplizierte Entzündung von Vorhaut oder Eichel ("Balanitis") heute keine Indikation mehr für eine Beschneidung dar. Diese kann üblicherweise mit Salbentherapien behandelt werden.
Ebenso stellt das unkomplizierte Aufblähen der Vorhaut beim Wasserlassen ("Ballonieren") keine Indikation für eine operative Vorhautentfernung dar.
Eine seltenen Indikation kann z.B. der mehrfach erfolglos mit Kortisonsalbe behandelte Lichen sklerosus darstellen. Weitere Ausnahmen können seltene Anomalien der Harnwege (z.B. PUK, VUR) sein.
Insgesamt gibt es aber heutzutage nur noch sehr wenige medizinische Gründe, die eine Vorhautentfernung an einem Jungen vor dem Ende der Pubertät rechtfertigen würden.
Beim Kind sind die Innenseite der Vorhaut und die Eicheloberfläche fest miteinander verwachsen. Dies wird manchmal (medizinisch unkorrekt) als "physiologische Phimose" (also als "natürliche Vorhautenge") bezeichnet. Wegen dieser Verbindung von Vorhaut und Eichel ist die Vorhaut natürlicherweise beim Kind nicht beweglich. Daher gibt es auch gar keinen Bereich "unter der Vorhaut", der bei einem Kind verschmutzt sein könnte, oder den man reinigen könnte.
Diese Verbindung löst sich von alleine bis zum Ende der Pubertät auf und darf davor auch keinesfalls zerstört werden. Versuche, die Vorhaut zu bewegen, dürfen daher nur von dem Kind oder Jugendlichen selbst unternommen werden. Eltern, Ärzteschaft oder anderes medizinisches Personal dürfen keinesfalls Retraktionsversuche an einem gesunden Kind vornehmen.
Wenn ein erwachsener Mann eine Enge der Vorhaut hat, die ihn stört, so gibt es mehrere Therapieoptionen. Anwendungen von Kortisonsalbe haben sich als sehr effektiv erwiesen, müssen aber manchmal mehrfach wiederholt werden. Kommerziell werden verschiedene Verfahren angeboten, mit denen eine mechanische Dehnung der Engstelle über mehrere Monate unternommen werden kann. Die bekannteste Methode besteht aus einem Set von Silikonringen mit ansteigendem Durchmesser. Allerdings werden die Kosten für solche Sets nicht von der Krankenkasse übernommen, und nur wenige Ärzte/-innen kennen sich damit aus.
Falls eine Operation an der Vorhaut eines Erwachsenen unausweichlich ist, so gibt es chirurgische Techniken wie z.B. die Triple Incision ("Dreifacher Einschnitt", Welsch-Plastik), bei denen kein Vorhautgewebe entfernt werden muss. Leider beherrschen viele Chirurgen/-innen diese Verfahren nicht, und bieten dann nur radikale Vorhautentfernungen an.
Sollte eine Entfernung von Vorhautgewebe unumgänglich sein, so sollte diese - wie bei jedem anderen menschlichen Gewebe auch - immer so gering wie möglich ausfallen (Teilbeschneidung). Begründungen wie ein mögliches Rezidivrisiko oder die kosmetischen Vorlieben des/-r Chirurgen/-in selbst sind keine Argumente für eine Beratung zu einer radikalen Entfernung, die dann unumkehrbar ist.
Zu viele Kinderärzte/-innen und Chirurgen/-innen halten sich bis heute noch nicht an die aktuell gültigen medizinischen Leitlinien. Sie machen Retraktionsversuche an beschwerdefreien Kindern oder raten vorschnell zu einer radikalen Entfernung der Vorhaut. ARGUS setzt sich dafür ein, dass die Ärzteschaft besser zu diesem Thema aufgeklärt wird.
Wenn Sie sich durch Ihren Arzt/ Ihre Ärztin beim Thema Vorhaut gut beraten fühlen, dann teilen Sie dies gerne ARGUS mit. Wir können dann auf diese Praxen hinweisen.
Ebenso können Sie es ARGUS gerne mitteilen, wenn Sie sich beim Thema Vorhaut durch Ihren Arzt/ Ihre Ärztin einseitig oder schlecht beraten fühlen. Wir können solche Praxen dann mit aktuellen Informationsmaterialien versorgen.
Nehmen Sie dafür gerne Kontakt mit uns auf.