Erwachsene können selbstverständlich jede Operation an ihrem eigenen Genital mit und ohne Begründung durchführen lassen, die sie sich wünschen. Wenn aber eine irreversible Entfernung von sensiblem Genitalgewebe an einem Kind ohne dessen Einwilligung erfolgen soll, so müssten dafür erhebliche medizinische Gründe vorliegen. Denn alles andere wäre entgegen den ethischen Grundsätzen der europäischen Medizin.
Es wird manchmal behauptet, dass Beschneidung Jungen vor Harnwegsinfektionen schützt. Einen solchen Schutz benötigen sie aber gar nicht. Harnwegsinfektionen kommen bei gesunden Jungen selten vor, und wenn sie mal auftreten, werden sie mit Antibiotika behandelt. Statistisch besehen müssten mehr als 110 Jungen operativ die Vorhaut entfernt werden, um einen einzigen relevanten Harnwegsinfekt zu verhindern. Eine Ausnahme mag nur bei einigen seltenen Anomalie der ableitenden Harnwege mit drohendem Nierenversagen bestehen (z.B. PUK, VUR). Ansonsten ist eine prophylaktische Beschneidung medizinisch abwegig.
Fazit: Eine prophylaktische Vorhautentfernung bei einem gesunden Kind ist abwegig, weil Harnwegsinfektionen bei Jungen nicht häufig vorkommen, und gegebenenfalls mit Antibiotika problemlos behandelt werden.
Datenquelle: Leitlinie "Phimose und Paraphimose", Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) 2021.Schutz vor Peniskrebs wird manchmal als Argument für eine prophylaktische Vorhautentfernung angeführt. Peniskrebs ist aber eine seltene Erkrankung, die hauptsächlich Männer ab 70 Jahren betrifft. Wenn Männer der Ansicht sind, dass sie sich durch eine Beschneidung vor Peniskrebs schützen wollen, so können sie dies als Erwachsene tun. Ein Eingriff an einem Kind kann damit medizinisch nicht begründet werden.
Fazit: Jungen brauchen keine Beschneidung als Schutz vor Peniskrebs, denn dies ist eine seltene Erkrankung alter Männer.
Datenquelle: Robert Koch-Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten, 2019Keine medizinische Fachgesellschaft in Europa empfiehlt Beschneidung als Prophylaxe vor Syphilis, Gonorrhoe ("Tripper") oder Papilloma-Viren. Vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt aber das Kondom. Gegen Papilloma-Viren, von denen einige für Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) verantwortlich sind, gibt es eine Impfung. Eine Beschneidung schützt nicht vor diesen Erkrankungen, und sexuell übertragbare Krankheiten sollten ohnehin keine Relevanz für ein Kind haben.
Fazit: Beschneidung schützt nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis, Tripper oder Papillomaviren.
In Afrika werden Beschneidungen beworben mit der Behauptung, dass dies das Risiko einer HIV-Infektion um 50 – 60% senken könne. Diese Prozent-Angabe ist irreführend. Zutreffend ist, dass die relevante Risikoreduktion weniger als 1% beträgt. Daher empfiehlt auch keine einzige medizinische Fachgesellschaft in Europa einen solchen Eingriff als Maßnahme des HIV-Schutzes.
Die Benutzung eines Kondoms senkt das Risiko einer HIV-Übertragung um 95%, und schützt darüber hinaus vor mindestens 5 weiteren sexuelle übertragbaren Krankheiten. Männer, die annehmen, durch Beschneidung besser vor HIV geschützt zu sein, unterliegen einem gefährlichen Irrtum.
Fazit: Durch Beschneidung kann das Risiko einer HIV-Infektion nicht relevant gesenkt werden. Eine Vorhautentfernung an einem unmündigen Kind kann daher damit nicht gerechtfertigt werden.
Manchmal wird behauptet, es sei schwierig, Vorhaut und Eichel zu reinigen, und eine Beschneidung sei daher "hygienischer". Das ist unzutreffend. Die Reinigung von Eichel und Vorhaut ist gerade mal so aufwändig wie beispielsweise die Reinigung von einem Ohr, und dauert üblicherweise ca. 10 Sekunden.
Die Annahme, Smegma sei ein Problem von unbeschnittenen Männern, ist falsch. Smegma entsteht auch auf dem "beschnittenen" Penis, denn es wird von Eichel und Kranzfurche produziert. Eine ausgetrocknete Schleimhaut, wie sie durch die Entfernung der Vorhaut auf der Eicheloberfläche entsteht, ist auch in keiner anderen Hinsicht "sauberer" als eine physiologisch feuchte Schleimhaut.
Alle Genitalien müssen gewaschen werden, ganz gleich ob unverändert oder beschnitten. Vorstellungen von einer angeblich besseren Hygiene durch Beschneidung sind unzutreffend. Solche Fehlannahmen können anzunehmenderweise nur von Personen kommen, die selber keine Penisvorhaut haben, und in so fern auch über keine eigene Erfahrung verfügen. Darüber hinaus handelt es sich bei solchen Behauptungen auch um Bodyshaming.
Fazit: Hygienische Vorteil, die eine Beschneidung an einem Kind rechtfertigen könnten, gibt es schlichtweg nicht.