Viele Männer haben lebenslange Traumatisierungen durch die Ereignisse vor, während und nach dem Eingriff: Sie erinnern sich meistens an das anwachsende Interesse der Erwachsenen am eigenen Genital, manchmal beschämende Entblößungen vor Fremden und gewaltsame Retraktionsversuche. Bei manchen folgt dann die verängstigende Ankündigung einer Genitaloperation. In anderen Fällen erfolgt eine unerwartete Überwältigung durch mehrere Erwachsene. Manche erinnern die qualvollen Injektionen der Lokalanästhesie, während im kulturell-religiösen Kontext teilweise sogar darauf verzichtet wird. Männer erinnern oftmals den schmerzhaften Heilungsprozess, gefolgt von einer monate- bis jahrelang anhaltenden Überempfindlichkeit, und das Entsetzen über das chirurgisch veränderte Aussehen des eigenen Genitals. Manchmal wird all dies notdürftig durch Erinnerungen an Geldgeschenke oder lobende Aufmerksamkeit durch die Erwachsenen überdeckt.
Negativ betroffen sind ebenso Männer, die sich an den Eingriff selbst nicht erinnern können, die aber irgendwann einen oder mehrere der Folgeschäden an sich beobachten: Sensibilitätsstörungen und Verhornung der Eichel, Einreißen der Schafthaut bei Erektion, Notwendigkeit für Gleitmittel bei manueller Befriedigung (z.B. auch Speichel) oder Schmerzen bei der Erektion.
Viele Männer nehmen zunächst an, dass alle Männer solche Probleme haben, bis ihnen irgendwann klar wird, dass es sich um die individuellen Folgen des Eingriffs an ihnen selbst handelt.
Auch Partner:innen können in Mitleidenschaft gezogen werden, sowohl durch das Leid ihres Partners, als auch durch Störungen im sexuellen Bereich wie Trockenheit und daraus folgender Schmerzhaftigkeit beim Verkehr (Dyspareunie).
Daneben gibt es auch Männer, die ihre eigene Beschneidung zwar neutral oder positiv sehen, sich aber trotzdem ein Leben lang fragen, wie sich ihre Sexualität wohl ohne die chirurgische Veränderung des Genitals angefühlt hätte.
Personen können auch negativ betroffen sein, die das Gefühl haben, eine Entscheidung getroffen zu haben, die sie im Nachhinein bereuen. Das können Männer sein, die sich im Erwachsenenalter selbst für den Eingriff entschieden haben, und dann zu der Einsicht gelangen, dass die Ärzteschaft ihnen ein unvollständiges Bild der Folgen gegeben hat.
Ebenso können dies Eltern sein, die sich im Bezug auf ihr Kind falsch beraten fühlen. Auch gibt es Eltern, die eine Entscheidung gefällt haben, weil sie sich dem anwachsenden Druck seitens ihrer Verwandtschaft oder dem Freundeskreis ausgesetzt sahen. Eltern stellen ihre Entscheidung dann in Frage, wenn sie im Nachhinein mehr Informationen zum Thema erhalten, oder wenn irgendwann klar wird, dass der Eingriff an ihrem Kind schief gegangen ist.
Informieren Sie sich zum Thema, aber am Besten immer nur in kleinen Portionen. Dazu können Sie verschiedene Webseiten wie MOGiS e.V., prepuce.ch, intaktiv e.V. und das intaktiv-Beschneidungsforum nutzen. Sie können auch bei ARGUS eine Beratung anfragen. Außerdem kann bei ARGUS auch eine Liste von möglichen Informationsquellen angefragt werden.
Sie sollten sich nur dosiert informieren, weil in Foren und auf einigen Webseiten zum Thema Jungenbeschneidung viel Wut und Verzweiflung zu finden ist. Achten Sie immer darauf, wie viel Sie sich davon zumuten möchten.
Dies gilt auch für viele Webseiten, die Bildmaterial zum Thema Jungebeschneidung zeigen. Es gibt dort viele Videos und Fotos von gequälten Kindern und beschädigten Genitalien. Achten Sie unbedingt darauf, dass Sie ihre eigene Kapazität, solche Bilder zu verarbeiten, keinesfalls überschreiten. Weiterhin gibt es ein ganzes Spektrum von Pro-Kinderbeschneidungs-Webseiten, was von Werbung für private Beschneidungspraxen bis hin zu handfestem Zirkumzisions-Fetischismus reicht. Auch hier sollten Sie auf sich achten, was Sie sich zumuten wollen.
Für die seelischen Folgen sollten Sie versuchen, Therapeuten/-innen zu finden, die besondere Kompetenz beim Thema Trauma aufweisen. Alle seriösen Therapeuten/-innen bieten Erstsitzungen kostenfrei, auf Kosten der Krankenkasse oder zu einem vorher genannten Festpreis an. Vereinbaren Sie in jedem Fall bei mehreren Therapeuten/-innen solche Probesitzungen, damit Sie Auswahl haben. Das Entscheidende ist nicht unbedingt die Methode der Therapie oder eine akademische Ausbildung, sondern die "Chemie" zwischen Therapeut/-in und Klient.
Für physische oder sexuelle Probleme sollte ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden. Leider müssen Sie hier gelegentlich mit Bagatellisierung rechnen. Fragen Sie bei ARGUS an, ob es eine empfehlenswerte Arztpraxis in Ihrer Nähe gibt.
Betroffene Männer können auf verschiedenen Wegen versuchen, die Folgen des Eingriffs abzumildern. Der erste Schritt kann darin bestehen, Methoden zu benutzen, mit denen die freiliegende Eichel und der vorhandene Vorhautrest geschützt werden. Diese werden kommerziell z.B. in Form von Taschen aus speziellem Stoff oder als dünne Überzieher aus Gummi angeboten (Beispielfoto v.l.n.r.: ManHood, SenSlip). Auch werden in Foren diverse Methoden beschrieben, bei denen mit haushaltsüblicher Folie und Hautcremes eine gute Schutzwirkungen erzielt werden kann.
Durch solche Schutzmaßnahmen können Missempfindungen durch Reibung und Reizung reduziert und die Sensibilität wieder erhöht werden. Viele Männer, die solche Maßnahmen ergriffen haben, berichten von einer deutlichen Verbesserung ihres Körpergefühls.
In einem weiteren Schritt gibt es für erwachsene Männer Verfahren zur Wiederherstellung der Vorhaut, englisch "foreskin restoration" genannt. Dadurch können viele Folgeerscheinungen wie z.B. Verhornung und Sensibilitätsstörungen rückgängig gemacht werden. Weltweit gibt es ca. 20 Hersteller solcher Geräte, von denen hier vier als Beispiele abgebildet sind (Beispielfoto v.l.n.r.: Mantor Restorer, foreGestalt Companion, Dual Tension Restorer DTR, CAT II Q Restoration Aid). Das Prinzip ist immer das selbe: der Vorhautrest wird so lange gedehnt, bis er wieder die Eichel bedecken kann. Der Vorgang ist nicht schmerzhaft, kann aber bis zum Abschluss mehrere Jahre dauern.