Das Ziel von ARGUS ist es, dass eine gesellschaftliche Diskussion um den Schutz vor unnötigen Genitaleingriffen beginnt, bei der auch Jungen eingeschlossen werden. An dieser Diskussion sollten sich sowohl die Medizin als auch die kulturell-religiösen Gemeinschaften beteiligen.
ARGUS-Kinderschutz bietet für diese gesellschaftliche Diskussion medizinische Informationen zu den Funktionen der Vorhaut und den Risiken einer Entfernung an, und zwar sowohl auf der Website als auch im Rahmen von ärztlichen Vorträgen. Weiterhin beraten wir Personen, die negativ betroffen sind, und geben diesen eine öffentliche Stimme.
ARGUS stellt sich als integrer Gesprächspartner mit medizinischem Hintergrund und wissenschaftlicher Ausrichtung für jede Form des Austausches mit Medien, Politik und gesellschaftlichen Organisationen zur Verfügung.
Mündige Personen können selbstverständlich jede Entscheidung über ihren eigenen Körper treffen. Aber die Rechte von Erwachsenen hören nach unserer Ansicht und der Ethik der Medizin dort auf, wo einem unmündigen Kind gesundes Genitalgewebe entfernt werden soll, und zwar ganz gleich, ob die Motivation der Erwachsenen dafür einer unzutreffenden medizinischen oder einer kulturell-religiösen Begründung folgt.
ARGUS fordert KEIN gesetzliches Verbot der Jungenbeschneidung.
Unabhängig davon halten wir aber - wie viele andere auch - den sogenannten "Beschneidungs-Paragraphen" §1631d BGB für nicht konform mit dem Grundgesetz. Dieser Paragraph gibt seit 2012 Eltern das Recht, eine Beschneidung von Jungen ohne medizinische Indikation zu veranlassen, die dann auch von Personen ohne ärztliche Ausbildung ausgeführt werden darf. Der Paragraph verletzt damit ganz offensichtlich u.A. die garantierten Rechte des Grundgesetzes auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2) und Gleichberechtigung (Artikel 3).
Die Antwort auf diesen Sexismus gegenüber Jungen liegt nicht als erstes in einer Änderung der Regeln durch den Gesetzgeber.
Unabhängig davon sollte aber die Politik endlich ihrer Verantwortung gerecht werden, und das Thema "Beschneidung" von Jungen auf ihre Agenda nehmen, statt weiterhin die Diskussion aktiv zu unterdrücken – zum Schaden der betroffenen Kinder.
Die Antwort auf das Dilemma der "Jungenbeschneidung" liegt im Herz der Gesellschaft, die endlich eine Diskussion zu dem Thema führen sollte.
ARGUS fordert die Ärzteschaft in Deutschland auf, sich endlich an die Leitlinie "Phimose und Paraphimose" der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) zu halten. Das Genital von Jungen muss in der Kindermedizin mit mehr Sorgfalt behandelt werden, als dies zur Zeit oftmals der Fall ist.
ARGUS fordert die kulturell-religiösen Gemeinschaften in Deutschland auf, in den Dialog zum Thema Kinderbeschneidung einzutreten. Ein Wertekonflikt von elterlicher Entscheidungsfreiheit und kindlichem Recht auf genitale Unversehrtheit kann nicht einseitig für indiskutabel erklärt werden, sondern bedarf der Diskussion und der gemeinsamen Suche nach Lösungen.
Nein. Denn kein Kind auf dieser Welt hat einen Vorteil davon, wenn Erwachsene sein Leid gegen das Leid eines anderen Kindes aufwiegen wollen.
Gewalt gegen Kinder sollte nicht anhand der Massivität bemessen werden. Wenn wir uns entscheiden, dass Gewaltfreiheit und Recht auf genitale Unversehrtheit unsere Werte im Umgang mit Kindern sind, dann können wir nicht plötzlich eine Ausnahme beim Genital von Jungen machen, und dies mit der Menge der Gewalt oder der Tiefe des möglichen Schadens begründen. Ganz unabhängig davon gibt es auch häufige Formen der Mädchenbeschneidung (WHO FGM-Typ 1a, Entfernung der weiblichen Vorhaut), die laut der "Amerikanischen Vereinigung der Kinderärzte" weit weniger massiv sind, als das, was bei dem Eingriff an Jungen geschieht (Quelle: "Policy Statement - Ritual Genital Cutting of Female Minors", American Association of Pediatrics, 2010).
Wenn Gewalt gegen Kinder quantifiziert werden soll, so geschieht dies meistens nicht, weil man Kinder dadurch besser schützen könnte. Im Gegenteil: dies geschieht, weil Erwachsene nach einer Rechtfertigung suchen für ihre eigenen moralischen Doppelstandards.
Kinderschutz sollte aber weder das Leid von Kindern quantifizieren, noch Kinder anhand ihres Geschlechts in "schützenswert" und "weniger schützenswert" aufteilen. Alle Kinder haben ein Anrecht auf Schutz durch uns Erwachsene.
Soraya Mire, die wohl bekannteste US-Aktivistin gegen "Mädchenbeschneidung", und selbst von Genitalverstümmelung betroffen:
»Genitalbeschneidung ist Kindesmisshandlung, bei Mädchen wie bei Jungen, und beides muss aufhören.
Es ist natürlich einfacher, mit dem Finger auf Afrika zu zeigen, und was sie den Mädchen dort Barbarisches antun, als das zu sehen, was jeden Tag vor unserer eigenen Haustür mit den Jungen passiert. Aber dazu sagt niemand auch nur ein einziges Wort.
Ich sehe mich jedenfalls als Aktivistin für die Rechte von allen Kindern. Ich kann mir nicht nur eine Seite aussuchen, und zur anderen Seite sagen: ich höre deinen Schrei nicht.«