ARGUS appelliert an die Ärzteschaft in Deutschland, sich endlich an die aktuell gültige medizinische Leitlinie "Phimose und Paraphimose" der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie (DGKJCH) zu halten. ARGUS fordert, dass die Ärzteschaft die weit verbreitete Praxis von medizinisch unnötigen Beschneidungen bei Jungen endlich beendet.
ARGUS appelliert an alle kulturell-religiösen Gemeinschaften in Deutschland, die eine Tradition der Kinderbeschneidung haben, an der gesellschaftlichen Diskussion um die Rechte von Kindern auf Unversehrtheit und Selbstbestimmung teilzunehmen. Religiöse Tradition und Kinderschutz können in Einklang gebracht werden, wenn im Dialog nach gemeinsamen Lösungen gesucht wird.
Wenn an einem minderjährigen Jungen eine Beschneidung ohne medizinische Indikation vorgenommen werden soll, so sollte dies zur Voraussetzung haben, dass vorher eine Beratung durch eine unabhängige Fachstelle erfolgt ist. Eine solche Beratung hindert dann niemanden an einem Eingriff, stellt aber sicher, dass vorher auch die Interessen des unmündigen Kindes bedacht und die Eltern zu den möglichen Folgen ausreichend aufgeklärt wurden.
Wir sollten als Gesellschaft in Deutschland endlich auch über den Schutz von Jungen vor unnötigen Eingriffen an den Genitalien sprechen. Ein Ziel von ARGUS ist es daher, dass eine gesellschaftliche Diskussion um den Schutz vor Genitaleingriffen beginnt, bei der im Sinne der Gleichberechtigung auch Jungen eingeschlossen werden. An dieser Diskussion sollten sich sowohl die Medizin als auch der Kinderschutz und die kulturell-religiösen Gemeinschaften beteiligen.
ARGUS stellt sich als integrer Gesprächspartner mit medizinischer Ausrichtung für den Dialog mit Medien, Politik und gesellschaftlichen Organisationen zur Verfügung.
Auch wenn ARGUS kein Verbot der Jungenbeschneidung fordert, so halten auch wir – wie viele andere auch – den sogenannten "Beschneidungs-Paragraphen" §1631d BGB für nicht konform mit dem Grundgesetz. Dieser Paragraph gibt seit 2012 Eltern das Recht, eine Beschneidung von Jungen ohne medizinische Indikation zu veranlassen, die dann auch von Personen ohne ärztliche Ausbildung ausgeführt werden darf. Der Paragraph verletzt damit ganz offensichtlich u.a. die garantierten Rechte des Grundgesetzes auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2) und Gleichberechtigung (Artikel 3).
Die Politik sollte daher endlich ihrer Verantwortung gerecht werden, und das Thema "Beschneidung" von Jungen auf ihre Agenda setzen, statt sich weiterhin der Diskussion zu entziehen – zum möglichen Schaden von Jungen und Männern.
Mündige Personen können selbstverständlich jede Entscheidung über ihren eigenen Körper treffen. Aber die Rechte von Erwachsenen hören nach unserer Ansicht und der Ethik der Medizin dort auf, wo einem unmündigen Kind gesundes Gewebe entfernt werden soll. Dabei ist es ganz gleich, ob die Motive der Erwachsenen dafür einen vermeintlich medizinischen oder einen kulturell-religiösen Ursprung haben.
Nein.
Denn kein Kind auf dieser Welt hat einen Vorteil davon, wenn wir Erwachsenen sein Leid gegen das Leid eines anderen Kindes aufwiegen wollen.
Wenn wir uns entscheiden, dass Selbstbestimmung, Gewaltfreiheit und Recht auf Unversehrtheit unsere Werte im Umgang mit unseren Kindern sind, dann können wir nicht plötzlich eine Ausnahme beim Genital von Jungen machen, und dies mit der Menge der Gewalt oder der Tiefe des möglichen Schadens begründen. Ganz unabhängig davon gibt es auch häufige Formen der "Mädchenbeschneidung", die laut der Amerikanischen Vereinigung der Kinderärzte (AAP) "weit weniger massiv sind, als das, was bei dem Eingriff an Jungen geschieht."
Wenn Gewalt gegen Kinder quantifiziert werden soll, so geschieht dies meistens, weil Erwachsene nach einer Rechtfertigung für ihre eigenen Doppelstandards suchen. Kinderschutz sollte aber weder versuchen, das Leid von Kindern zu quantifizieren, noch Kinder anhand ihres Geschlechts in "schützenswert" und "nicht schützenswert" aufteilen. Alle Kinder verdienen Schutz durch uns Erwachsene.
Quelle: Policy Statement - Ritual Genital Cutting of Female Minors, AAP 2010Soraya Mire, wohl eine der bekanntesten Aktivistinnen gegen "Mädchenbeschneidung" in den USA, und selbst von Genitalverstümmelung (WHO Typ III) betroffen, sagt dazu:
»Genitalbeschneidung ist Kindesmisshandlung, bei Mädchen wie bei Jungen, und beides muss aufhören.
Es ist einfacher, mit dem Finger auf Afrika zu zeigen, und was sie den Mädchen dort Barbarisches antun, als das zu sehen, was jeden Tag vor unserer eigenen Haustür mit den Jungen passiert. Aber dazu sagt niemand auch nur ein einziges Wort.
Ich sehe mich jedenfalls als Aktivistin für die Rechte von allen Kindern. Ich kann mir nicht nur eine Seite aussuchen, und zur anderen Seite sagen: ich höre deinen Schrei nicht.«
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