Verengung der Vorhaut (Phimose) und Entzündung (Balanitis)

Diagramm Entwicklung Zurückziehbarkeit Vorhaut

Die natürliche Entwicklung der Vorhaut dauert bis zum Ende der Pubertät.

Die Ärzteschaft verunsichert manchmal Eltern, Kinder und Jugendliche, wenn sie behauptet, dass die Vorhaut in einem bestimmten Alter zurückziehbar sein muss, weil sonst eine Vorhaut­verengung vorliegen würde (sogenannte "Phimose"), die man operieren muss. Dies ist aber un­zutreffend.

Das Eintreten der vollen Zurückziehbarkeit der gesunden Vorhaut kann bis zum Ende der Pubertät dauern, ohne dass es eines Eingreifens durch die Medizin bedarf. Das sagt auch die aktuelle Leitlinie "Phimose und Paraphimose" der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie (DGKCH). Die fehlende Zurückziehbarkeit bei einem ansonsten beschwerdefreien Jungen führt zu keinem medizinischen Handlungs­bedarf, denn erst mit dem 18. Lebensjahr können 98 % der Jungen die Vorhaut selber zurück ziehen.

Warnschild: Keine Retraktionsversuche am Penis eines gesunden Kindes

Die feste Verbindung von Vorhaut und Eichel ist keine Krank­heit, sondern der natürliche Zustand.

Beim Kind sind die Innenseite der Vorhaut und die Eichel­ober­fläche fest miteinander verwachsen. Darüber hinaus liegt die Vorhaut von Natur aus eng um die Eichel, um diese feste Verbindung auch von außen zu schützen. Dies wird manchmal (medizinisch unkorrekt) als "physiologische Phimose" bezeichnet. Wegen dieser Verbindung von Vorhaut und Eichel ist die Vorhaut natürlicherweise beim Knaben nicht beweglich. 

Die Verbindung von Vorhaut und Eichel löst sich ganz natürlich von alleine bis zum Ende der Pubertät – und nicht, wie leider oftmals behauptet wird, bis zu deren Anfang. Versuche, die Vorhaut zu bewegen, dürfen nur von dem Kind oder Jugendlichen selbst unternommen werden. Eltern, Ärzteschaft oder anderes medizinisches Personal haben keinerlei Veranlassung, die Vorhaut eines beschwerdefreien Kindes zurückziehen zu wollen.

Die beste Pflege für das kindliche Genital ist lauwarmes Wasser – und in Ruhe lassen.

Eltern denken manchmal, dass es bei Jungen (ähnlich wie bei erwachsenen Männern) einen Bereich zwischen Vorhaut und Eichel geben müsste, den man säubern muss. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt bei einem Jungen aufgrund der oben genannten Verbindung gar keinen zugänglichen Bereich "unter der Vorhaut", der verschmutzen könnte, oder den man waschen müsste. 

Eltern sollten daher keinesfalls mit dem Gedanken der Reinigung versuchen, die Vorhaut eines Kindes zurückzuziehen. Ebenso dürfen Eltern nicht versuchen, mit Reinigungs­utensilien wie z.B. Watte­stäbchen oder Waschlappen zwischen Vorhaut und Eichel zu kommen. 

Für die Reinigung von Kindergenitalien ist lauwarmes Wasser die beste Wahl. Aggressive Seifen sollten vermieden werden. Es ist ausreichend, das Genital mit Wasser abzuspülen, oder gelegentlich ein kurzes Bad zu nehmen. Es sollte aber auch nicht zu intensiv oder zu häufig gewaschen werden, denn dies kann Reizungen hervorrufen, die dann erst zu einer Entzündung von Vorhaut und Eichel führen ("Balanitis"). 

Im Englischen gibt es für die Reinigung von Kindergenitalien den Leitspruch "Only clean what is seen". Zu Deutsch bedeutet dies ungefähr: "Nur säubern, was man auch sehen kann". Das gilt für die Genitalien von Mädchen genau so wie von Jungen.

Jugendliche sollten Eichel und Vorhaut vorsichtig beim Baden reinigen, und dabei keine Gewalt anwenden. Sexualität kann auch dann schon gelebt werden, wenn die Vorhaut noch nicht zurückziehbar ist. Zur Beruhigung mag auch der Hinweis hilfreich sein, dass es erwachsene Männer gibt, die mehrere Kinder gezeugt, ein erfüllendes Sexualleben und eine gute Genitalhygiene haben, obwohl bei ihnen eine Phimose vorliegt. In den allermeisten Fällen ist daher Geduld der beste Ratschlag.

Echte medizinische Gründe für eine Beschneidung sind heutzutage selten.

Wie in der aktuell gültigen Leitlinie nachzulesen ist, stellt eine unkomplizierte Entzündung von Vorhaut oder Eichel ("Balanitis") keine Indikation für eine Beschneidung dar. Diese kann üblicherweise mit medikamentösen Therapien (Salben, ggfs. Tabletten) behandelt werden. 

Auch das unkomplizierte Aufblähen der Vorhaut beim Wasserlassen ("Ballonieren"), ist keine Indikation für eine operative Entfernung der Vorhaut. Das Ballonieren ist in der Regel nur ein natürliches Zwischenstadium, das im Prozess der Lösung der Vorhaut auftritt. 

Es gibt nur noch wenige Erkrankungen, die eine echte Indikation für eine Beschneidung darstellen. Dies kann z.B. die Hautkrankheit Lichen sclerosus sein. Andere seltene Erkrankungen können angeborene Fehlbildungen der Harnwege sein, wie z.B. die posterioren Urethralklappen (PUK) oder der hochgradige vesiko-ureterale Reflux (VUR). Doch auch hier gibt es erst eine Indikation zur Beschneidung, wenn wiederholte Salbentherapien erfolglos geblieben sind.

Wenn eine Vorhautverengung (Phimose) dem Betroffenen selbst Beschwerden bereitet, gibt es mehrere Optionen.

Der Behandlungsbedarf einer Vorhautenge entsteht nicht aus dem reinen Fakt der Nicht-Zurück­zieh­barkeit, sondern ausschließlich dann, wenn die betroffene Person selbst darüber Beschwerden äußert. In diesem Fall hat sich die An­wen­dung von Kortison­salbe über mehrere Wochen bis Monate als sehr effektiv erwiesen. Eine weitere Möglichkeit ist die Anwendung eines kommerziellen Sets von Silikon­ringen mit ansteigen­dem Durchmesser, mit denen eine langsame Dehnung der Engstelle unternommen werden kann.

Falls eine Operation an der Vorhaut einer mündigen Person unausweichlich ist, so gibt es chirurgische Techniken wie z.B. die Triple Incision ("Dreifacher Einschnitt", "Welsh-Plastik"), bei denen kein Vorhautgewebe entfernt werden muss. Leider beherrschen viele Chirurgen/innen diese Verfahren nicht, und bieten dann nur die radikale Vorhautentfernung an. 

Ist eine Entfernung von Vorhaut­gewebe unumgänglich, so sollte diese – wie bei jedem anderen menschlichen Gewebe auch – immer so sparsam wie möglich ausfallen (Teil­beschneidung). Ein Risiko für ein Rezidiv bei einer Teilbeschneidung ist kein Argument für eine radikale Entfernung. Denn die Chance auf lebenslangen Erhalt von gesundem Genitalgewebe ist wichtiger als der sofortige Ausschluss eines möglichen Rezidivs durch eine radikale Operation. Auch die kosmetischen Vorlieben des/r Chirurgen/in sollten kein Argument sein, um einen Patienten zu einer radikalen Beschneidung zu überreden, was aber leider immer wieder vorkommt. 

Bis vor 10 Jahren wurden Jungen leider noch wegen unkomplizierter Balanitis oder fehlender Zurückziehbarkeit beschnitten. 

Früher war es in der Ärzteschaft eine oft übliche Ansicht, dass die Vorhaut eines Jungen bis zum Schuleintritt zurückziehbar sein muss, obwohl es dafür gar keinen medizinischen Grund gab. Damals wurde dann bei vielen Kinder­untersuchungen versucht, die Vorhaut eines Jungen zurückzuziehen, was oftmals schmerzhaft und traumatisierend war. Jungen, bei denen die volle Zurückziehbarkeit nicht gegeben war, wurden dann fälschlicherweise mit einer Vorhaut­verengung ("Phimose") diagnostiziert und dann kurzerhand beschnitten. 

Auch wurde früher bei einer unkomplizierten Entzündung der Vorhaut und Eichel (sogenannte "Balanitis") leichtfertig eine Beschneidung durch die Ärzteschaft angeordnet. Auch dies wird heute anders gesehen, denn medikamentöse Therapien der Balanitis sind in der Regel erfolgreich. Ein vorschneller ärztlicher Rat zu einer Beschneidung ist daher heutzutage medizinisch nicht mehr vertretbar. 

Viele Männer, die heute erwachsen sind, wurden als Kinder aus dem oben beschriebenen Vorgehen heraus beschnitten. Aus heutiger Sicht muss man daher leider sagen, dass diese Beschneidungen ohne jeglichen medizinischen Sinn erfolgt sind. 

ARGUS-Icon Erwachsener schützt ein männliches Kind mit Schutzschild.

ARGUS-Kinderschutz fordert, dass sich die Ärzteschaft endlich an die aktuellen Leitlinien hält.

Man würde erwarten, dass sich die Ärzteschaft an die aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften hält. Das ist aber beim Thema Vorhaut leider nicht immer der Fall. 

Zu viele Ärzte/innen machen immer noch Retraktionsversuche an beschwerdefreien Kindern oder raten bei unkomplizierten Entzündungen vorschnell zu einer radikalen Entfernung der Vorhaut. ARGUS setzt sich dafür ein, dass die Ärzteschaft besser zu diesem Thema aufgeklärt wird. Unterstützen Sie uns in diesem Engagement, damit Jungen in Zukunft besser geschützt werden