Manchmal wird behauptet, dass es schwierig sei, Vorhaut und Eichel zu reinigen, und eine Beschneidung daher "hygienischer" sei. Das ist unzutreffend. Die Reinigung von Eichel und Vorhaut ist gerade mal so aufwändig wie beispielsweise die Reinigung von einem Ohr, und dauert üblicherweise ca. 10 Sekunden.
Auch die Annahme, dass Smegma ein Problem von unbeschnittenen Männern sei, ist falsch: Smegma entsteht ebenso auf dem beschnittenen Penis, denn es wird auch von der Eichel produziert. Bei Frauen entsteht Smegma übrigens auch, nämlich auf den kleinen Vulvalippen. Alle Genitalien müssen also gewaschen werden, ganz gleich ob sie unverändert oder beschnitten sind. Fehlannahmen über eine angeblich bessere Hygiene durch Beschneidung bestehen meistens bei Personen, die selber keine Penisvorhaut haben, und insofern auch über keine eigene Erfahrung damit verfügen.
Darüber hinaus handelt es sich bei dieser Behauptung auch eindeutig um Bodyshaming, also der Abwertung des natürlichen körperlichen Erscheinungsbildes einer Person mit dem Ziel der Beleidigung oder Diskriminierung.
Fazit: Es gibt keine hygienischen Vorteile, die eine Beschneidung an einem Kind rechtfertigen könnten.
Wie in der offiziellen medizinischen Leitlinie nachzulesen ist, schützt Beschneidung nicht vor Syphilis, Gonorrhoe ("Tripper") oder HPV (Humane Papillomviren). Vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt aber das Kondom, und zum Schutz vor Papilloma-Viren, von denen einige Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) und Peniskrebs verursachen können, gibt es die HPV-Impfung.
Fazit: Beschneidung schützt nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten.
Die Behauptung, dass Beschneidung vor HIV schützen würde, beruht auf einer Vermutung der WHO von vor 20 Jahren, für die es bis heute keinen wissenschaftlichen Beweis gibt. Daher empfiehlt auch keine einzige medizinische Fachgesellschaft in Europa Beschneidung als angebliche Maßnahme des HIV-Schutzes.
Trotzdem werden in Afrika Beschneidungen mit der Behauptung beworben, dass sie das Risiko einer HIV-Infektion um 50 – 60% senken könnten. Diese Angabe ist irreführend. Zutreffend ist, dass es in der Theorie eine rein rechnerische Risikoreduktion von 1% geben kann, aber dass sich in der Realität beschnittene Männer in Europa genau so häufig mit HIV infizieren wie Männer mit unverändertem Penis.
Fazit: Durch Beschneidung kann das reale Risiko einer HIV-Infektion nicht gesenkt werden.
Es wird manchmal behauptet, dass Beschneidung Jungen vor Harnwegsinfektionen schützt. Einen solchen Schutz benötigen sie aber gar nicht. Harnwegsinfektionen kommen bei gesunden Jungen selten vor, und wenn sie mal auftreten, werden sie ganz einfach mit Antibiotika behandelt. Eine Ausnahme kann es nur bei seltenen Anomalien der Harnwege (z.B. PUK, VUR) mit drohender Dialysepflicht geben. Ansonsten ist eine prophylaktische Operation, um einen banalen Infekt zu verhindern, medizinisch abwegig.
Fazit: Eine vorsorgliche Beschneidung an einem gesunden Kind als angeblicher Schutz vor Harnwegsinfektionen ist medizinisch abwegig.
Datenquelle: Leitlinie "Phimose und Paraphimose", Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) 2021.Schutz vor Peniskrebs wird manchmal als Argument für eine prophylaktische Vorhautentfernung angeführt. Peniskrebs ist aber eine seltene Erkrankung, die Männer ohnehin erst in einem Durchschnittsalter von 70 Jahren betrifft. Wenn man Jungen vor Peniskrebs und weiteren HPV-assoziierten Erkrankungen schützen will, so ist dafür die HPV-Impfung empfohlen. Eine Beschneidung an einem Kind kann mit dieser Behauptung nicht begründet werden.
Fazit: Jungen brauchen keine Beschneidung als angeblichen Schutz vor Peniskrebs, denn dies ist eine sehr seltene Erkrankung alter Männer.
Datenquelle: Robert Koch-Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten, 2019Es wird manchmal behauptet, dass beschnittene Männer eine längere sexuelle Durchhaltefähigkeit haben könnten. In wissenschaftlichen Studien, die dies untersucht haben, wurde aber kein Unterschied gefunden.
Hingegen gibt es aber beschnittene Männer, die beklagen, dass ihr Penis im Laufe ihres Lebens durch die Beschneidung so weit abgestumpft sei, dass sie ohne übermäßig starke Stimulation gar keinen Orgasmus mehr erreichen können. Lesen Sie mehr dazu bei den möglichen Nachteilen von Beschneidung.
Doch selbst wenn es einen Einfluss auf die sexuelle Durchhaltefähigkeit gäbe, würde das natürlich trotzdem keinen Eingriff an einem Kind rechtfertigen. Denn nur ein erwachsener Mann, der unter einem Problem mit seiner sexuellen Ausdauer leidet, hätte das Recht, so eine irreversible Operation an sich selbst veranlassen.
Fazit: Ein Kind braucht keine Beschneidung, um angeblich ein sexuelles Problem zu behandeln, das es nicht hat.
Bei der Frage der Kinderbeschneidung ist das einzig relevante Kriterium, ob ein Kind davon so große medizinische Vorteile hätte, dass dies eine irreversible Entfernung eines gesunden Organteils ohne Einwilligung und die Risiken einer Operation rechtfertigen würde. Dies ist medizinisch besehen eindeutig nicht der Fall.
Erwachsene Männer können natürlich eine Beschneidung an ihrem eigenen Penis durchführen lassen, wenn sie sich dies wünschen, und sie bereit sind, die damit verbundenen Risiken einzugehen. Doch einem Kind kann man solche Risiken nicht aufbürden. Lesen Sie mehr dazu bei den Informationen zu den möglichen Nachteilen von Beschneidung.