Stehen religiöse Überzeugungen über dem Kinderschutz?

Icon für Humanismus: Vitruv-Mann

Kinderschutz und religiöse Tradition können und müssen in einen Ausgleich gebracht werden.

Alle Kultur- und Religionsgemeinschaften in Deutschland leben im Rahmen einer säkularen Gesellschaft mit humanistischen Grundwerten. Diese Werte­basis ermöglicht es den verschiedenen Gemeinschaften, dass sie in Deutschland friedlich zusammen leben können. Wenn aber die Gemeinschaften ihre friedliche Ko-Existenz dieser Werte­grundlage verdanken, dann können sie nicht auf der anderen Seite einzelne humanistische Werte wie die Kinderrechte einseitig für irrelevant erklären. 

In der Diskussion um das Recht von Jungen auf Schutz und Unversehrtheit wird oftmals versucht, diese Frage vorschnell auf zwei Gegensätze zuzuspitzen: entweder gibt es eine völlige Freigabe der Jungenbeschneidung, oder die religiöse Entfaltung von Eltern ist in Deutschland unmöglich. Eine solche Zuspitzung  ist offensiv und inhaltlich un­zutreffend. 

Denn faktisch gibt es genug Spielraum, um religiöse Überzeugungen von Eltern und Kinderschutz in Einklang zu bringen. Im Kern der Debatte steht letztlich nur eine Frage: bis zu welchem Alter müssen Erwachsene abwarten, damit ein Kind mündig genug ist, um einen irreversiblen Eingriff an sich selbst zu veranlassen. 

Eine solche Zuspitzung ist auch deshalb unzutreffend, weil die religiösen Vorschriften z.B. im Islam gar nicht so zwingend sind, wie dies oftmals von den Verfechtern behauptet oder von Eltern angenommen wird. Ebenso lässt sich z.B. anhand des Judentums zeigen, wie mit der Brit Shalom bereits Wege innerhalb der Religion gefunden wurden, um Religiosität der Eltern zu leben und gleichzeitig das Recht auf Unversehrtheit des Kindes zu wahren.

Wenn also die Bereitschaft zum Dialog vorhanden ist, so lassen sich durchaus Lösungen finden, um Elternglaube und Kinderrechte in einen Ausgleich zu bringen. 

Die Rechte von Erwachsenen enden bei der Verletzung von Kindern. 

ARGUS wird von Kinderschützern gemacht, nicht von Beschneidungs­gegner. Nach unserer Auffassung kann selbstverständlich jeder erwachsene  Mann eine Beschneidung an seinem eigenen Genital veranlassen, wenn er das möchte. 

Aber die Rechte von Erwachsenen hören nach unserer Ansicht und der Ethik der Medizin dort auf, wo einem unmündigen Kind gesundes Gewebe entfernt werden soll. Dabei ist es egal, welche persönlichen Motive die Erwachsenen dafür angeben. Denn die reale, physische Verletzung eines Kindes rechtfertigt sich nicht durch die weltanschaulichen Vorstellungen, die die Erwachsenen dabei haben. 

Icon für den Ausgleich von Religion und Kinderschutz

Es ist unmoralisch, Kinder­schutz und Religions­ausübung gegen­einander ausspielen zu wollen.

Wer eine offene Diskussion zu Kinderschutz und Religionsausübung unterdrücken will, bedient sich dazu meistens der Anschuldigung von Religionsfeindlichkeit, Rassismus, Islamophobie oder Antisemitismus.

Es kann aber keinesfalls als religionsfeindlich angesehen werden, wenn man für die Unversehrtheit von Kindern eintritt, und dies gleichermaßen im medizinischen wie im kulturell-religiösen Kontext tut. Umgekehrt wäre es aber ein sehr schlechtes Zeugnis für die Religionsgemeinschaften, wenn man davon ausgehen müsste, dass diese grundsätzlich einen Dialog über den Kinderschutz verweigern. 

Wer mit den oben genannten Anschuldigungen versucht, Kinderschutz und Religionsausübung gegeneinander auszuspielen, sollte eher die Aufrichtigkeit seiner eigenen Motivation dafür in Frage stellen, statt Kinderschützern/innen pauschal unlautere Motive zu unterstellen. 

Die Ziele von ARGUS-Kinderschutz sind Dialog und Beratungspflicht.

Wir von ARGUS-Kinderschutz sehen uns nicht als Teil einer unzutreffenden Zuspitzung, nach der es nur eine völlige Freigabe oder ein völliges Verbot der Beschneidung von Jungen geben kann. Denn ARGUS fordert vorerst nur die gesetzliche Einführung einer Beratungspflicht für Eltern, wenn ein Eingriff am Kind ohne medizinische Indikation vorgenommen werden soll. In so einer Beratung würden Eltern durch eine unabhängige Fachstelle über die Risiken des Ein­griffs aufgeklärt und über ihre Wahlmöglichkeiten informiert werden. Was Eltern danach entscheiden, bleibt ihnen überlassen, aber sie sind dann wenigstens ausreichend über mögliche Komplikationen und Langzeitfolgen informiert worden.

Dem Ziel einer solchen Aufklärungspflicht kann sich wohl niemand versperren, dem das Wohl von Kindern ein Anliegen ist.